DIE ROTEN SCHUHE

EIN PERFORMER FINDET DIE ROTEN SCHUHE, STELLT SICH VORS THEATER UND KLOPFT AN.

PASSWORT: molch

Ein Theaterabend über die Mutter, ihre Kinder und die Neuformierung der Freien Szene.


PROJEKTBESCHREIBUNG:

Es muss darum gehen, Geschichte zu schreiben! Im März 2012 wurde die Theaterszene in Frankfurt erschüttert. Auslöser war das 30 Seiten umfassende Papier einer Perspektivkommission, die mit der Evaluation der Freien Szene in Frankfurt beauftragt worden war. Die vier Experten dieser Kommission stellten fest, dass der Nachwuchs zu kurz komme und Frankfurt mit seinen etablierten freien Theatern und deren Gründern in den 80er Jahren stehen geblieben sei.

(Die Theaterfee trägt ein Kostüm aus Ballons und freut sich.)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebes Publikum, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich stehe hier vor Ihnen als eine Frau, die einem Luxusberuf nachgeht. Ich stelle nichts her, das vervielfältigt werden kann. Ich schreibe keine Bücher. Ich prüfe keine Zahlen und schreibe keine Briefe an Sie, um Sie an die Einreichung Ihrer Steuererklärung zu erinnern. Ich melke keine Kühe, ich ernte keine Äpfel, ich baue nichts an, auch kein Biogemüse, lasse keine Hühner in Freilandhaltung rumlaufen, ich gehe nicht ans Telefon und melde mich nicht mit meinem vollen Namen, ich fahre Menschen nicht zu ihrem Ziel, ich bringe Kindern nichts bei, ich kaufe nichts auf, ich baue nichts um, ich schnitze nichts, ich schmiede nichts, ich schütze niemanden, ich pflege niemanden, ich trage keine Waffe, ich kümmere mich um keine Tiere, ich mache für niemanden das Bett, ich habe keine eigene Visitenkarte, kein Auto, kein Haus, keine Kinder, ich kann noch nicht einmal wählen in diesem Land. Ich bin hier nur zum Spaß.

© Thorben Sinning

Ein Glaubenskrieg wurde so vom Zaun gebrochen, in dem sich die Freie Szene selbst rechtfertigen, neu verorten und definieren muss, schließlich geht es um nicht weniger als die zukünftige Theaterförderung und damit die konkrete Existenz. Ein gutes Jahr später haben sich die Wogen wieder etwas geglättet. Viele Probleme des Papiers, soviel ist inzwischen klar, waren Resultat eines unklar formulierten Auftrags. Bewertet wird es von einigen als politisches Kalkül oder als Meinungspapier, von anderen als notwendiger Auslöser für eine Diskussion, welchen man aber im Detail einfach schnell wieder vergessen sollte. Die Evaluation lässt sich jetzt unter dem Strich als ungeschickt formuliert betrachten. Nichtsdestotrotz hat die Evaluation und die so ausgelöste Diskussion zur Abschaffung der bisherigen Förderstrukturen in Frankfurt geführt.


VOLL:MILCH erachtet die Evaluation als Beweis für eine dringend nötige Auseinandersetzung der Freien Szene mit den Produktionsbedingungen von Theater. Als Hildesheimer Studierende werden wir durch die Evaluation konkret erwähnt und wo mit unserem Studiengang argumentiert wird, fühlen wir uns angesprochen. Wir stellen uns daher die Frage: Wie wollen wir repräsentiert werden und unter welchen Bedingungen wollen wir Theater machen?


Schließlich müssen sich auch die Protagonisten der Freien Szene überlegen, wie sie miteinander die Theaterszene gestalten wollen. Die Freie Szene muss sich formieren können, um so selbst ihre Zukunft gestalten und damit politisch aktiv auftreten zu können.


Inspiriert von Brechts Mutter Courage und ihren Kindern, sowie vom Wizard of Oz, reist VOLL:MILCH von der Ausbildungsstätte Hildesheim, über die Ausbildungsstätte Gießen in den Krisenherd Frankfurt. In der Naxoshalle findet dann das große Finale statt, bei dem Geschichte geschrieben werden soll.  Was sonst!?


PERFORMER:INNEN:

Ekaterina Trachsel, Paula Löffler, Stephan Mahn, Birk Schindler, Sebastian Rest, Jonas Feller


Teilnehmer der Podiumsdiskussion: Dieter Bassermann, Bert Bresgen, Jan Deck, Sebastian Popp, Linus Koenig, Prof. Dr. Wolfgang Schneider, Prof. Dr. Gerald Siegmund, Willy Praml und Albert Zetzsche


ZEITRAUM:

  November 2013

7. / 8. Hildesheim Theaterhaus Hildesheim

13. Gießen    Institut für Angewandte Theaterwissenschaft

16. / 17. Frankfurt  Landungsbrücken Frankfurt

20. Frankfurter Finale mit anschließender Podiumsdiskussion   Theater Willy Praml auf Naxos


Unsere Reise haben wir dokumentiert und in einem Artikel zusammengefasst, welcher 2017 in der Publikation „Theatermachen als Beruf – Hildesheimer Wege zur Bühne“ (Hrsg. Wolfgang Schneider, Julia Speckmann) im Verlag Theater der Zeit erscheinen wird.


Die Kritik aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung finden Sie HIER.


mit freundlicher Unterstützung von: Kulturamt Stadt Frankfurt am Main, Friedrich Weinhagen Stiftung, Stiftung Universität Hildesheim, Studentenwerk OstNiedersachsen, Asta der Universität Hildesheim

in Kooperation mit: Theaterhaus Hildesheim, Theater Willy Praml Frankfurt am Main, Landungsbrücken Frankfurt, Institut für angewandte Theaterwissenschaft Justus-Liebig Universität Gießen